Bis zu 100.000 Entscheidungen treffen wir täglich – bewusst und unbewusst. Was überwiegt bei diesen Entscheidungen? Der Kopf oder der Bauch? Können wir steuern, ob wir eher mit der Logik oder mit dem Bauchgefühl entscheiden? Sind unsere Entscheidungsstrategien angeboren oder erlernt? Lesen Sie in diesem Artikel, welche Rolle Kopf und Bauch beim Entscheiden spielen, wie Sie gute Rahmenbedingungen für Ihre Entscheidungen schaffen und lernen Sie unterschiedliche Methoden kennen, eine gute Entscheidung zu fällen.
Grundsätzlich gibt es zwei Kategorien von Entscheidungen: einerseits mit weitreichenden Folgen und andererseits viele kleine, tagtägliche „Routine-Entscheidungen“. Letztere treffen wir fast unbewusst – beruflich wie privat: Rufe ich erst Herrn Meyer oder Herrn Müller an? Esse ich ein Wurst- oder ein Käsebrot? Die vielen kleinen Entscheidungen nehmen wir oft gar nicht als Entscheidung wahr. Dies ist gut so! Denn sonst würden wir vor lauter bewusstem, wohl überlegten Entscheiden zu nichts anderem kommen…
Wichtige Entscheidungen für Unternehmer/innen sind z.B. Preise festlegen, Mitarbeiter einstellen. Wen beauftrage ich mit meinem Webdesign? Welche Fortbildung besuche ich? Mit wem kooperiere ich? Soll mein Unternehmen wachsen? Will ich einen neuen Markt erschließen oder mein Angebot ausweiten? etc. Bei diesen Entscheidungen können wir in einige Fallen tappen. Daher ist es wichtig, gute Rahmenbedingungen für das Entscheiden zu schaffen.
Doch reflektieren Sie zunächst, wie Sie selbst wichtige unternehmerische Entscheidungen treffen:
- Fallen Ihnen wichtige Entscheidungen leicht oder schieben Sie sie eher auf die lange Bank
- Hören Sie dabei vor allem auf Ihren Kopf, also die Logik?
- Oder entscheiden Sie aus dem Bauch heraus und lassen dabei die Logik weitestgehend außer Acht?
Einen kleinen Hinweis liefert Ihnen, wie Sie diese Frage beantworten:
Schläger und Ball kosten zusammen 1,10 €. Der Schläger kostet einen Euro mehr als der Ball, was kostet der Ball?
Die Auflösung finden Sie ganz am Ende dieses Artikels.
Logik kontra Bauchgefühl – auf Kopf oder Bauch hören?
Tatsächlich werden etwa 50 Prozent aller Entscheidungen in Unternehmen laut Prof. Gerd Grigenzer aus dem Bauchgefühl heraus, also intuitiv getroffen. Diese Zahl hat mich überrascht. Ich hatte einen höheren Anteil Kopfentscheidungen erwartet. Aber vermutlich muss in der heutigen VUCA-Welt so viel und so schnell entschieden werden, dass dies nur intuitiv zu schaffen ist.
Pro Kopf – ein Plädoyer für Kopfentscheidungen
„Entscheidungen wirken für uns am überzeugendsten, wenn sie bewusst getroffen und am besten noch mathematisch hergeleitet werden“ sagt Tobias Constantin Haupt, Psychologe an der Universität München. Dies führt sogar dazu, dass wir dazu neigen, intuitiv getroffene Entscheidungen nachträglich mit Zahlen, Daten und Fakten zu unterfüttern, um sie zu rechtfertigen.
Laut Matthias Nöllke, Autor des Buches „Entscheidungen treffen„, werden Bauchentscheidungen mitbestimmt vom Zufall, der Stimmung, der Tageszeit und der Reihenfolge der Argumente. Außerdem lassen wir uns von unbewussten Vorurteilen, Ängsten und Assoziationen beeinflussen. Und es besteht die Gefahr, dass wesentliche Informationen für eine kluge Entscheidung fehlen und uns dies nicht einmal auffällt.
Dies sind viele gute Gründe, unsere Entscheidungen auf Fakten und Informationen zu stützen, um sie möglichst rational und logisch zu treffen. Bei komplexen Sachverhalten und VUCA-Situationen kommen wir allerdings schnell an Grenzen und riskieren Fehlentscheidungen, weil wir die Informationsflut nicht mehr in den Griff bekommen. Hier heißt es vereinfachen und unser Bauchgefühl zu Rate ziehen.
Pro Bauch – ein Plädoyer für Bauchentscheidungen
„Wir unterschätzen die Macht der Intuition für Entscheidungen“, sagt Tobias Constantin Haupt. Komplexe Entscheidungen werden besser vom Unbewussten getroffen und vor allem schneller. Denn unser unbewusstes Bewertungssystem ist evolutionär sehr viel älter als der Verstand und verarbeitet Informationen rasend schnell. Innerhalb von 200 Millisekunden antwortet es auf Reize mit einer Körperreaktion oder einem Gefühl. Es meldet sich nicht sprachlichin Form von Gedanken, da es evolutionär vor der Sprache entstanden ist.
Negative Gefühle wie ein Grummeln wahrzunehmen fällt den meisten Menschen leichter, als positive Reaktionen des unbewussten Bewertungssystems wie Wärme im Bauch oder Weite im Brustraum zu spüren. Und es gibt viele Leute, die große Schwierigkeiten haben, diese Reaktionen überhaupt zu spüren. Denn der Zugang zum Bauchgefühl wird uns in der Kindheit oft abtrainiert.
Das unbewusste Bewertungssystem durchforstet das Archiv im Gehirn parallel über assoziative Netzwerke sehr viel schneller als der seriell arbeitende Verstand, der nur eins nach dem anderen erledigen und somit auch nur eine Erinnerung nach der anderen durchsuchen kann.
Die Qualität dessen, was das unbewusste Bewertungssystem als Ergebnis liefert – also welche Entscheidung wir intuitiv treffen – hängt davon ab, was in welcher Qualität im Archiv gespeichert ist.
Daher gilt: Neulinge in einer Sache treffen eher schlechte Bauchentscheidungen, weil die Erfahrung fehlt, das Archiv also noch ziemlich leer ist. So ist z.B. ein unerfahrener, junger Unternehmer einem erfahrenen Firmeninhaber bei intuitiven Entscheidungen deutlich unterlegen.
Außerdem können falsche oder veraltete Informationen und generalisierte Erfahrungen im Archiv des Gehirns abgespeichert sein und zu Fehlentscheidungen des unbewussten Bewertungssystems führen.
Ein Beispiel: Als Kind wurde jemand von einem rothaarigem Jungen mit Sommersprossen geärgert. Heute hat dieser Mensch eine Aversion gegen Personen mit roten Haaren. Denn die schlechten Kindheitserfahrungen werden unbewusst und ungeprüft auf alle Rothaarigen übertragen, also generalisiert. Der Bauch bildet aufgrund von Erfahrungen Hypothesen (z.B. alle Rothaarigen sind unangenehme Zeitgenossen und zu meiden). Diese können richtig oder – wie in diesem Beispiel – falsch sein. Ein mögliche Folge könnte z.B. sein, dass wir einen sehr gut ins Team passenden Mitarbeiter nicht einstellen, weil er rote Haare hat.
Fazit: Kopf- oder Bauchentscheidungen?
Sowohl Bauch- als auch Kopfentscheidungen bergen das Risiko der Fehlentscheidung. Es ist daher eine Schein-Alternative, Entscheidungen entweder nur mit dem Kopf oder nur mit dem Bauch zu treffen. Auch weil Kopf und Bauch eng miteinander verknüpft sind.
Am besten ist es, ganz bewusst sowohl den Kopf als auch den Bauch zu befragen, um zu einer stimmigen Antwort zu kommen und mehr auf den Kopf zu hören, wenn wir uns in einem neuen Terrain ohne eigene Erfahrung bewegen.
Gute Rahmenbedingungen für Entscheidungen
Entscheiden Sie – wenn möglich – ohne Zeitdruck und Stress, denn Stresshormone blockieren das Denken.
Entscheiden Sie ausgeruht – denn ausgeruht denken wir klarer. Der Spruch „eine Nacht drüber schlafen“ hat seine Berechtigung!
Setzen Sie sich einen Termin für die Entscheidung und halten Sie ihn ein – zu langes Nachdenken macht die Entscheidung nicht besser.
Verlassen Sie sich nie ausschließlich auf Ihr Gefühl – es ist ratsam auch immer Kosten und Nutzen rational abzuwägen.
Reduzieren Sie die Komplexität indem Sie wenige wichtige Entscheidungs-Kriterien auswählen, zu denen Informationen bis zum Entscheidungstermin beschafft werden können.
Akzeptieren Sie bei jeder Entscheidung einen gewissen Grad an Unsicherheit.
Verlassen Sie bewusst Ihre Komfortzone. Unser Gehirn tendiert zur vertrauteren Variante, da bei dieser Wahl positive Gefühle durch Dopaminausschüttung entstehen. Unbekanntes kann dagegen ein Gefühl von Anstrengung und Unwohlsein erzeugen. Letzteres müssen wir bewusst in Kauf nehmen, um uns ins Neuland wagen zu können.
Bei risikoreichen Entscheidungen ist es hilfreich einen Plan B vorzubereiten, denn viele Entscheidungen lassen sich revidieren.
Methoden zur Entscheidungsfindung
Vor einer Entscheidung ist es wichtig, sich die richtigen Fragen zu stellen, um unbewusste Vorentscheidungen zu vermeiden. Wenn Sie sich fragen, wie stark Sie Ihre Preise anheben wollen, haben Sie schon entschieden, dass Sie die Preise anheben – vielleicht ohne vorher darüber nachzudenken, dass dies auch negative Auswirkungen haben könnte.
Pro und Kontra Liste
Aufzuschreiben, welche Vorteile und Nachteile die Entscheidungsoptionen haben ist hilfreich, wenn der Sachverhalt nicht zu komplex ist. Andernfalls werden die Listen zu lang und helfen uns nicht weiter. Eine ergänzende Hilfe sind folgende Fragen:
Wie zieldienlich ist die jeweilige Alternative?
Welche Auswirkungen hat die Wahl der jeweiligen Alternative?
Wichtigstes Entscheidungs-Kriterium und / oder wichtigstes Ausschluss-Kriterium festlegen
Diese Methode hilft sehr beim Entscheiden von komplexen Sachverhalten.
Rat einholen
Damit Sie bei dieser Methode wirklich neue Erkenntnisse und Impulse gewinnen, sollten Sie fragen:
„Wie würden Sie aus Ihrer Perspektive entscheiden?“
Bei der Frage „Wie würden Sie an meiner Stelle entscheiden?“ besteht die Gefahr, dass Sie nur Ihre eigene Meinung bestätigt bekommen.
Arbeit mit Bodenankern
Stühle oder Zettel auf dem Boden versinnbildlichen die Alternativen. Durch das Daraufsetzen / Daraufstellen und Hineinspüren, wie sich die jeweilige Alternative anfühlt, werden uns Aspekte bewusst, die bei rein logischem Nachdenken leicht außer Acht bleiben. Diese Methode bietet einen guten Zugang zum Bauchgefühl.
Blick zurück aus der Zukunft
Stellen Sie sich vor, seit Ihrer Entscheidung sind sechs oder zwölf Monate vergangen. Malen Sie sich aus, wie es mit Ihrer favorisierten Option oder auch jeder Alternative gelaufen wäre. Ihnen werden dabei zusätzliche Aspekte einfallen und Sie bekommen einen besseren Zugang zu Ihrem Bauchgefühl.
Diese und die vorherige Methode lassen sich kombinieren und für beide gilt: in Begleitung eines Coaches sind sie einfacher anzuwenden.
Eine Münze werfen
In dem Moment, wo wir das Ergebnis sehen, sagt uns unsere spontane Reaktion (Freude oder Schreck), was unser Bauch zu dieser Entscheidung sagt.
Coaching bei sehr wichtigen Entscheidungen
Ein Coach kann uns mit den genannten Methoden unterstützen und natürlich gibt es noch mehr Methoden als die hier genannten, wie z.B. das Tetralemma, die Disney-Strategie, das innere Team oder die logischen Ebenen.
Umgang mit Entscheidungsblockaden
Bei Entscheidungsblockaden hilft es, das übergeordnete Ziel zu klären. Denn wenn ich weiß, was mein übergeordnetes Ziel ist, kann ich leichter entscheiden.
Folgende Fragen und Tipps können Blockaden beseitigen:
- Was passiert, wenn ich nicht entscheide?
- Eine Entscheidung auf Probe treffen, wenn möglich?
- Was ist das Schlimmste, was passieren kann, wenn ich mich falsch entscheide?
- Fast alle Entscheidungen kann man nachträglich ändern.
- Keine Entscheidung ist auch eine Entscheidung – ein anderer oder die Umstände entscheiden für uns.
Mein Fazit:
Aufgrund unserer Persönlichkeitsstruktur haben wir eine Vorliebe eher intuitiv / gefühlsgesteuert oder anhand von Zahlen, Daten, Fakten zu entscheiden und sind schnell oder langsam beim Entscheiden.
Die gute Nachricht – Entscheiden kann man trainieren:
Beobachten Sie sich selbst, wie Sie entscheiden und ob sie gute Entscheidungen treffen. Ggf. ziehen Sie das geringer Ausgeprägte (Kopf oder Bauch) bewusst mit hinzu. Für eine Bewertung, ob Sie gute Entscheidungen treffen, brauchen Sie natürlich Klarheit darüber, was für Sie eine gute Entscheidung ist.
Ich wünsche Ihnen viele gute Entscheidungen und bei besonders schwierigen Entscheidungen unterstütze ich Sie gerne.
Ihre
Maren Kaiser
Quellen:
http://www.manager-magazin.de/unternehmen/karriere/a-606743.html
Matthias Nöllke, Entscheidungen treffen
https://www.stern.de/gesundheit/bauch-und-psyche-das-geheimnis-kluger-entscheidungen-3409704.html
Weitere Literatur:
Gerd Grigenzer, Bauchentscheidungen: Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition
Martin R. Mayer, Praxisbuch Entscheidungen
Bas Kast, Wie der Bauch dem Kopf beim Denken hilft
Gerald Traufetter, Intuition: Die Weisheit der Gefühle
Auflösung der Frage nach dem Preis des Balls:
Die intuitive bzw. Bauch-Antwort lautet 10 Cent als Preis für den Ball – was leider falsch ist. Denn dann müsste der Schläger ja 1,10 € und beides zusammen 1,20 € kosten. 😉
Die richtige Kopf-Antwort lautet: 5 Cent.
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